Hanns Dieter Hüsch und Dieter Hildebrandt im „Scheibenwischer“ 1980 – 2001
Über 20 Jahren lang lieferten sich die beiden Größen des deutschen Kabaretts in der Satire-Sendung „Scheibenwischer“ geistreiche Duelle und Wortgefechte. Ihre brillanten Sketche sind unverändert aktuell, sie orientierten sich nie an der Tagespolitik, sondern nahmen gesellschaftliche Phänomene und Fehlentwicklungen auf Korn. Mit treffsicherer Kritik prangerten sie die Oberflächlichkeit der Medien und politische Einflussnahme auf die Meinungsfreiheit an. Satirischer Spott mit hoher Pointendichte! Diese DVD enthält alle Auftritte des unschlagbaren Duos und sämtliche Solo-Auftritte von Hanns Dieter Hüsch aus den legendären „Scheibenwischer“-Jahren 1980 bis 2001.
Bonus-Material: Ausführliches Interview mit Dieter Hildebrandt zur Geschichte des „Scheibenwischer“.
Hildebrandts „Scheibenwischer“ – Erfahrungen mir der langlebigsten Kabarett-Sendung im deutschen Fernsehen.
Sechs Jahre lang konnte Dieter Hildebrandt das politische Tagesgeschehen im ZDF in der Sendung „Notizen aus der Provinz“ auf´s Korn nehmen. Doch 1979 – vor einem Wahljahr in dem der berüchtigte Franz Josef Strauß für die CDU als Kanzlerkandidat antrat – entschied der ZDF Intendant, „macht erst mal ein Jahr Denkpause“. Tatsächlich aber wurde die Sendung ganz eingestellt. Der Mainzer Sender befürchtete Politiker-Proteste. Doch Hildebrandt hatte vorgesorgt: Ein Vertrag mit dem Sender Freies Berlin war bereits unterschrieben. Die neue Kabarettsendung heißt „Scheibenwischer“ und soll für Durchblick und klare Sicht auf der Mattscheibe sorgen.
Kabarettistischer Durchblick dank Scheibenwischer
Ausgerechnet auf der ersten Fahrt nach Berlin versagt bei Hildebrandts Auto der Scheibenwischer (kein Witz!). Ob das ein böses Omen ist? Im Gegenteil, der Sender Freies Berlin bietet Hildebrandt mehr Freiheiten als er von Sendern aus München oder Mainz gewohnt ist. Die ersten Sendungen spielten ganz bewusst in einer Kulisse, die den Anstaltsfluren eines öffentlich rechtlichen Senders nachempfunden war (private Sender gab es damals noch nicht). Dass die Sendung sozusagen „im Sender“ spielen sollte, hatte Hildebrandt mit dem damaligen SFB Intendanten Wolfgang Haus (SPD) vereinbart.
Mehr Freiheit dank SFB
„Wir haben uns nicht darum gekümmert, was wir sagen durften, oder ob es nachher Schwierigkeiten geben würde. Wir hatten unsere eigenen Tabus. Es gab immer Hinweise, was wir weglassen sollten. Aber wir haben dann überlegt, wie wir es doch unterbringen können, das war ein spannendes Spiel.“ Die Sendung wurde in München „zusammengeschnürt“, dann fuhr das Team nach Berlin, nach drei Tagen Probe ging der Scheibenwischer live auf Sendung, 23 Jahre lang. „Der SFB war damals für uns ein idealer Sender. Die Intendanten kümmerten sich nicht um uns. Sie waren großzügig, wir hatten auch gute Programmdirektoren und mit dem Redakteur waren wir befreundet. Den wollten wir natürlich nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber es kann einem doch keiner verbieten, dass man während der Sendung plötzlich einen Einfall hat.“
Schwierigkeiten mit Sender-Hierarchen hatte Hildebrandt immer dann, wenn Kritik von Politikern und Zuschauern befürchtet wurde. Es gab immer Politiker, die ins Fernsehen hineinregieren wollten. „Das war in München so, und das war auch in Mainz so. Bevor der Stolte (ZDF Programmdirektor, später ZDF Intendant) etwas entschieden hat, hat er natürlich den Kohl (damals Ministerpräsident von Rheinland Pfalz) angerufen. Oder Kohl hat anrufen, wenn ihm was nicht gefallen hat. Das war so.“ Ärger vermeiden ist das Motto der Anstalts-Verwalter.
Der Bayerische Rundfunk steigt aus
Die Macht der bayerischen Politik schlägt am 22. Mai 1986 besonders massiv zu: Die „Scheibenwischer“-Sendung zum Thema „Atomkraft“ wird in Bayern nicht ausgestrahlt. Trotzdem verbreitet sich die Sendung auch in Bayern – durch Videokassetten. Die Drohung, dass sich der Bayerische Rundfunk bei zu harscher Kritik des „Scheibenwischer“ aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD ausklingt, gab es schon vorher. Oft landeten die Texte der Kabarettisten vor der Sendung in der bayerischen Staatskanzlei. Offensichtlich gab es einen Spitzel im Sender, der die Texte an die CSU-Oberen weiterleitete.
Hanns Dieter Hüsch als Partner
Jede Sendung hatte ein Grundthema. Danach wurden die Mitspieler ausgesucht. Hanns Dieter Hüsch war schon in der ersten Scheibenwischer Folge dabei. Er tritt noch in weiteren 13 Sendungen auf. „Hanns Dieter war immer unser Wunschpartner. Ich hätte ihn bei jedem Thema gerne dabei gehabt. Aber er konnte nicht immer. Er hatte ja einen Terminkalender, dagegen ist meiner ja ein Kalender für katholische Feiertage“, meint Dieter Hildebrandt in dem Interview mit Wolfgang Dresler, das als Bonus-Material auf der DVD „Hüsch & Hildebrandt“ zu sehen ist.
„Bei Hüsch hatte ich immer den Eindruck, er spielt einen, der aus der Zeitmaschine falsch ausgestiegen ist. Der im falschen Jahrhundert ausgestiegen ist und immer fragt „Wie ? Was? Was meinen Sie?“. Das war immer komisch. Er spielte immer den nervösen, etwas fahrigen aber um kein Wort Verlegenen. Man konnte ihm keine Pointe versetzen ohne dass er nicht eine drauf setzte.“ Dadurch blieb so manche Szene nicht im geplanten Zeit-Limit und die Live-Sendung wurde zum Leidwesen der anschließenden Tagesthemen gerne mal etwas länger. Auf Hüschs Improvisationstalent konnte Hildebrandt souverän reagieren: „Auf der Bühne hat man eine andere Kraft. Die verdoppelt sich geradezu. Und plötzlich fällt einem mehr ein, als zuhause an der Schreibmaschine.“
Welche Themen lagen Hanns Dieter Hüsch, welche nicht? „Hanns Dieter Hüsch hat sich für die Kultur der Menschlichkeit unglaublich eingesetzt. Ministernamen interessierten ihn nicht.“ Hüsch interessierte sich für Dichtung, Literatur, Poesie, die Umwelt – und Toleranz, aber nicht für tagespolitische Aufreger. Hüschs Texte waren im Gegensatz zu Hildebrandts nie von der aktuellen Politik geprägt.
Im Mai 2001 tritt Hanns Dieter Hüsch zum letzten Mal im Scheibenwischer auf, stark von seiner Krankheit gezeichnet. Es sieht aus wie eine Abschiedsveranstaltung für Hüsch, es ist auch die Zeit seiner Abschieds-Tournee.
Hildebrandts Abschied vom Fernsehen
2003 steigt auch Dieter Hildebrandt aus dem Scheibenwischer aus. Warum? „Ich hab hin und wieder in den Spiegel geguckt und hab mir gedacht ‚das Fernsehen macht alt‘ und jetzt bin ich sowieso schon alt. Wenn das Fernsehen das Alter noch verdoppelt, dann bin ich uralt, das hat keinen Sinn, ich möchte gern noch ein bisschen jünger bleiben – und bin dann aus dem Fernsehen ausgeschieden. Außerdem hatte ich so lange Fernsehen gemacht, ich musste das nicht mehr. Ich bin jetzt auf der Bühne, da hab ich mich immer wohl gefühlt. Ich hatte das Fernsehen gar nicht angestrebt. Das Fernsehen kam zu uns. Das wollten wir erst gar nicht.“ In den Anfängen des Kabarett-Fernsehens befürchten die Kabarettisten nämlich, dass ein Programm nicht mehr spielbar ist, wenn es im Fernsehen zu sehen war. Doch auch wie die Berliner „Stachelschweine“ und das Düsseldorfer Kom(m)ödchen machen auch Hildebrandt und die „Lach- und Schießgesellschaft“ die Erfahrung, dass das Fernsehen dem Kabarett neue Zuschauer bringt und den Kabarettisten zu enormer Popularität verhilft. Schließlich einigt man sich darauf, Kabarettprogramme erst dann aufzuzeichnen, wenn das Programm eigentlich „abgespielt“ ist. Für die TV-Fassung wird das Programm jeweils aktualisiert. In den Anfangsjahren des Fernsehens werden Kabarettprogramme zwar auch nicht vollständig, aber doch in wesentlich längeren Fassungen ausgestrahlt als das heute üblich ist. Mehr als 45 Minuten halten die Programm-Bürokraten heute meist nicht mehr für zumutbar.
Zur Nachfolge-Sendung des Scheibenwischer, „Satire Gipfel“ äußert Dieter Hildebrandt in dem Interview mit Wolfgang Dresler nicht, weil er die Sendung nie ansieht. Zum Schluss verrät er aber noch, wer seine aktuellen Lieblings-Kabarettisten sind (Oktober 2012): „Bei Georg Schramm gehe ich in jedes Programm, selbstverständlich. Oder Frank Barwasser (Erwin Pelzig), den find´ ich grandios, wunderbar, da sehe ich mir jedes Programm an – auf der Bühne. Volker Pispers ist hervorragend. Aber es gibt noch zwei oder drei, die schaue ich mir alle an.“
Das Interview mit Dieter Hildebrandt wurde im Oktober 2012 kurz vor seinem Auftritt in der Oper Bonn geführt.
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